Bio
Über die Serie „In Natura"
Über die Serie „Acts“
Ausstellungstext des Kurators Marcel Fišer
(Eng) Curator Pavel Vancat about „Acts" Series
Keingedicht - kurze Geschichte der weißen Räume




Bio (English/Deutsch)



Jan Kilian Boettcher was born in East Berlin, back then capital of the German Democratic Republic (GDR). When he was six years old the German Reunification changed Berlin more rapid than other parts of the GDR. 


Berlin always attracted freaks, after the turn so many that it could have been inappropriate to be none. Each gap was filled with subculture or by tanning salons, car dealers and garbage, thousands of bright colors mixed the characteristic "GDR gray" on. This struggle between the impulse to create a alternative environment, finding one's self in Goa or Hermsdorf or make money somehow inspires me until today. It was like a clash of diverse churches, of which perhaps not only the donation box is left today and carefree I went in and out.“


„At that time I did a lot of art, street art and music and wondered why people go back to school for this voluntary. 

Much later I decided to study art to get more professional in making music. But soon I experimented with film, music, Painting, installation and writing. And after two years I thought that if I want to achieve some of my goals I have to focus on one discipline. I will be a Popstar later.“ 


After working as a physiotherapist Jan attended the Bauhaus University in Weimar, where he received his undergraduate degree in Free Arts and Media. He graduated at the Dresden Academy of Fine Arts in Painting & Graphics. There followed a master student study in Spatial Design & Sculpture. Jan has exhibited artwork in institutions throughout Germany and the Czech Republic, including: DOX Galery Prague, Art Gallery města Pilsen, Cheb Art Museum, Neues Museum Weimar, Albertinum - Kunstmuseum Dresden, Festspielhaus Hellerau and the Akademie der Künste in Berlin. Today he is also an art lecturer at private and public art schools.


Bio



Jan Kilian Böttcher wurde in Ost-Berlin geboren, damals Hauptstadt der DDR. Als er sechs Jahre alt war, veränderte die deutsche Wiedervereinigung Berlin noch rasanter als andere Teile der DDR.


„Berlin zog immer Freaks an, nach der Wende soviele, dass es unpassend sein konnte, keiner zu sein. Jede Lücke füllte sich mit Subkultur oder Sonnenstudios, Autohändlern und Müll, tausende knalliger Farben mischten das charakteristische "DDR-Grau" auf. Dieser Kampf zwischen dem Impuls sich eine alternative Umgebung zu schaffen, sein Selbst in Goa oder Hermsdorf wiederzufinden oder irgendwie Geld zu verdienen inspiriert mich bis heute. Das war wie ein Zusammenprall diverser Kirchen, von denen heute teils nur noch die Spendenbox am Eingang übrig ist und ich ging unbeschwert rein und raus.“


„Damals machte ich viel Kunst und Street Art und wunderte mich das Leute dafür freiwillig nochmal zur Schule gingen.

Viel später erst entschied ich mich Kunst zu studieren, um professioneller Musik zu machen. Aber bald experimentierte ich mit Film, Musik, Malerei, Installation und Schriftstellerei. Und nach zwei Jahren dachte ich, wenn ich einige meiner Ziele erreichen möchte, muss ich mich auf eine Disziplin konzentrieren. Ich werde später ein Popstar.


Nachdem er als Physiotherapeuth arbeitete besuchte Jan die Bauhaus-Universität in Weimar, wo er sein Vordiplom in Freier Kunst und Medien erhielt. Sein Diplom machte er an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden in Malerei & Grafik. Dort folgte ein Meisterschüler Studium in Räumlicher Gestaltung/Bildhauerei bei Martin Honert. Jan hat Kunstwerke in Institutionen in ganz Deutschland und in Tschechien ausgestellt, darunter: DOX Galery Prag, Kunstgalerie města Pilsen, Kunstmuseum Cheb, Neues Museum Weimar, Albertinum - Kunstmuseum Dresden, Festspielhaus Hellerau und die Akademie der Künste in Berlin. Jan ist auch Kunstdozent an privaten und öffentlichen Schulen.






White Rooms


Die Serie White Rooms besteht aus Arbeiten spontan entstandener figurativer Gegenüberstellungen und Arbeiten, denen weitreichende Recherchen u.a. zu Gesellschaftsstrukturen vorausgehen. Zweitere führen zu exemplarischen Einzelbildern unterschiedlichster Szenarien, die dabei jedoch keinen Anspruch auf Objektivität erheben. 


Wie in der Kunst wo in der Regel etwas aus seinem Kontext genommen und abstrahiert wird, verhält sich Wahrnehmung im Allgemeinen, die jenseits von Objektivität einer ähnlichen (Dys-)Funktionalität unterliegt.


Weiße Räume ermöglichen es, einfach und spielerisch mit Objekt und Subjekt in vielfältigen Codierungen zu verfahren.

Diese Codes können abstrahieren, präzisieren oder relativieren.

Sie fügen sich aus den im Bild nebeneinander gesetzten Objekten zusammen, eine Art von Hieroglyphenschrift.


Statt Deutungshoheit fordere ich Lesearten- und Gewohnheiten in einem Loop zwischen Lesbarkeit und Unlesbarkeit heraus, 

anhand der aus Fragmenten gebildeten Artefakte meiner Vorstudien. Dennoch verfolge ich damit eine Art aufklärerische Idee: mir und dem Betrachter eine Neuordnung der Dinge zu eröffnen.


Ich nutze Aufzählungen, Wiederholungen, Verwechslung und Gegenüberstellungen, Bilderschriften wie Hieroglyphen, Sachbuch- und Comic Illustrationen, klassische und moderne Techniken, Zeichnung und Gebrauchsgraphik.


Die Recherchen konzentrieren sich wiederkehrend auf die Themen: Popkultur, Gesellschaftspolitik, Philosophie, Alltags- /Mythologie, Soziologie, Geschichte von Kunst, Evolution, Lifestyle.






In Natura/Zeichnungen


Grautöne gealterter, körniger Schwarzweißfotos, Überbelichtung und die Arten des Herausstellens prägen meine Arbeit. Hier finde ich Verknüpfungen von Abstraktion und Gegenstand.

Meine Arbeiten entstehen jedoch immer direkt vor der Natur in Kleinst- bis Großformaten.

Farbe, Form und Bildinhalt begreife ich als Eins: die Komposition. Ich finde singuläre Formen, Bilder, Stimmungen, Koinzidenzen- oft in Gestalt von Menschen und Orten, Arrangements, die wie gesampelt anmuten, ohne es zu sein. Jene Zufälle fördern immer neue Variationen zu Tage, von denen ich auf dem Weg hin zu gültigen Bildformeln Ausschnitte sichtbar mache.


Ist es die Suche nach dem Essentiellen, die Kunst mit Schönheit verbindet?


Ich fange die Ausschnitte ein wie ich sie vorfinde, ohne sie zu konservieren und verbinde sie mit dem leeren Malgrund.

Im Gegensatz zur Fotografie nutze ich Ausschnitte im Ausschnitt.

So lenke ich die Sichtweise über das Motiv hinweg in das weiß bleibende, rahmenlose Umfeld und zurück.


Meine Kompositionen erweitern anhand der Ausschnittsformen das Bildformat, nehmen es auf und modifizieren es. 

Dieses Spiel mit Formaten und Bildausschnitten ermöglicht Konzentration auf das Essentielle.


Ich möchte, dass meine Arbeiten sich (in der Natur) als visuell eigenständige Wesen behaupten wie eine Zelle, semipermeabel: halb durchlässig und in sich geschlossen zugleich.






Acts


Die Acts nähern sich dem Ideal der Tragikomödie, die Erzählfäden spannt und verdichtet, bis diese beim Überkreuzen den Betrachter in einem Moment ertappen, in dem er nicht weiß, ob er lacht oder weint.


Ideen kommen mir beim Entschlüsseln der Mythen des Alltags zwischen unserer Natur und Kultur. Ich verwerte diese Narrative und Evidenzgefühle, ohne sie zu ernst zu nehmen und auch mit dem Anspruch zu unterhalten. 

Dabei sehe ich das Narrative in der Kunst nicht als Beschränkung, sondern als Mehrwert.


Ich arbeite mit Archetypen gesellschaftspolitischer, mythologischer, popkultureller und kunstgeschichtlicher Kontexte unserer Geschichte. Dafür nutze ich Gegenüberstellungen und Stile klassischer wie moderner Malerei. Wie im Jazz definiere ich einen festen Rahmen, über den ich frei improvisiere. Den oft detailliert ausgearbeiteten Arrangements steht die freie Entfaltung und das Switchen zwischen den Techniken gegenüber.


Vor allem das komische Moment der Tragikomödie ist mir wichtiger Bestandteil einer vielschichtigen Reflexion.







2016 Kurator Marcel Fišer / Ausstellung Nadosah


Der Rückgriff auf die Malerei der alten Meister hat in der deutschen modernen Kunst eine starke Tradition, die von George Grosz und Otto Dix bis zu den Arbeiten der Leipziger Schule reicht. Diese Linie eines narrativen Realismus, in dem sich die soziale Thematik mit grotesken und fantastischen Elementen verbindet greift Jan Kilian Böttcher auf, indem er die dem Realismus oft eigene Komik und Symbolik freistellt, reflektiert er dessen Geschichte gleichwohl kritisch. 


Die Szenen in seinen Bildern erinnern teils an Rituale, in denen rätselhafte Objekte oder nichtmaterielle Erscheinungen in die moderne Realität eingefügt werden.






2013 Pavel Vancat / Startpointprize / Dox Gallery Prag


The paintings of Jan Kilian Böttcher are a playful attempt at “traditional” images, with an awareness of their own exaggeration and vanity, returning (often as parody) to postwar neo-realism in terms of their ambiguous sense 

of engagement, ironically transplanted into the current situation of post-communist Germany. 

Allusions to classical mythological themes are interspersed with Communist ideology and punk earthiness, 

only to finally reveal the comics-derived basis of the cycle, with the last image hidden behind the heating unit next to the fire extinguisher. It is a painting that possesses a quality of directness, not as an autotelic attempt, 

but as a confident and entertaining narrative.






Keingedicht - Ich sage zu mir immer wir (Eine kurze Geschichte weißer Räume)


Nehmen wir an, Sie wären Präsident. 

Sie sitzen auf dem bequemsten Sessel des Landes, wenn nicht gar der ganzen Welt. (Fühlt sich doch ganz ok. an, oder?) 


In den letzten 10 Sekunden der Amtszeit möchten wir zufällig ein echt großes Problem endgültig lösen, 

das ausserdem die Probleme unserer Kinder löst. 


Neben dem bequemsten Sessel wähnen wir uns zufällig ebenfalls im Besitz der besten Minibar des Landes. 


Die zwei Themen, die uns unser Berater auf den Tisch legt, sind die Watergate-Affäre und die Nipplegate-Affäre

(Bei der Nipplegate-Affäre übertrug MTV live wie Janet Jacksons rechte Brust von Justin Timberlake entblößt wurde. 

Die Watergate-Affäre war ein Abhörskandal unter Präsident Nixon, an sich nichts ungewöhnliches und wäre dadurch vermutlich nicht weiter aufgefallen, hätte er sich nicht selbst dabei verwanzt und das Material verschenkt; 

und hätten seine Ambitionen nicht gegen alle anderen nur denkbaren Nettigkeiten verstoßen). 


Welches Thema wählen Sie?


Die Tageszeit und Menge der zur verfügung stehenden Genussmittel könnte eine Entscheidung beeinflussen.

Ist ja auch Streß so ein Job..


Bush und Nixon zum Beispiel waren Alkoholiker 

(Mehr als die Hälfte der Us-Präsidenten litt zufällig unter schwerwiegenden psychischen und physischen Krankheiten, 

oder einer Alkoholsucht, so wie der EU-Parlaments Präsident).


Bush aber überwand die Sucht (etwas später) und trat einer Methodistenkirche bei, 

beides spricht eher für Nipple-Problemlösungen. 


Wie löst man so ein Problem?


Bloss Fragen. Denken Sie nur, es gibt Menschen, denen die Entscheidung schwer fällt.

Natürlich ist das nur ein Fall von vielen, der impliziert mit der Wirklichkeit etwas zu tun zu haben, 

was selbstredend nicht der Fall ist, aber darum geht es ja.


In weißen Räumen Gegenstände und Figuren zu platzieren, gleicht dem Moment in dem ein blinder Passagier 

andere Passagiere und Gegenstände in der Straßenbahn weiß anstreicht, wodurch diese sich ähnlicher werden. 


Das relativiert nicht alles, aber zum Beispiel Hautfarben. 


Es gilt historisch als bewiesen, dass sich Politiker wesentlich leichter austauschen lassen, 

wenn man sie zuvor mit weißer Farbe bemalt.


Menschliche Wahrnehmung ist erhaben, sie verschafft jedem Realisten Naivität,

während das Bewusstsein der eigenen Unkenntnis unheimlich erleichtern kann.

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